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Karbid, Berlin – Von Schriftmalerei zu Schriftgestaltung

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Die Berliner Gestalterin Verena Gerlach lud mich ein, als Autor an ihrem Buch »Karbid« mitzuwirken, das bei  Ypsilon Éditeur in Paris erschien. Mein Beitrag besteht in zwei aufwändig recherchierten Texten über die Geschichte des deutschen Letterings und die Schriftmalereien des Prenzlauer Bergs.

In den 1990er Jahren durchstreifte Verena Gerlach den Nordosten Berlins zwischen Hackeschem Markt und ihrer damaligen Hochschule, der KHB in Weißensee und hielt dabei die zahlreichen erhaltenen Schriftmalereien fotografisch fest. In Auseinandersetzung mit diesen Inschriften entstand ihre Schrift FF Karbid, die von FontShop International vertrieben wird.

Inschrift in der Pappelallee, verschwunden im Jahr 2013.

Inschrift in der Pappelallee, verschwunden im Jahr 2013.

Im Buch »Karbid« werden sowohl die gleichnamige Schrift präsentiert als auch Verena Gerlachs »Buchstabenportraits« ausgebreitet, deren dokumentarischer Wert heute um so bedeutender ist, als die Auslöschung der alten Inschriften durch Renovierungsmaßnahmen nunmehr fast gänzlich abgeschlossen ist.

Drei hoch interessante Texte bereichern das Buch. In seinem einleitenden Essay »Die Stadt – die totale Ausbreitung der Schrift« bettet Sébastien Morlighem das Phänomen der kommerziellen Inschriften in ein weit gefasstes Panorama ein und umreißt dabei die Trennung der Schriftarten nach ihrem Gebrauch im Buch und im öffentlichen Raum.

Skeletton-Schrift, Ed. C. Fetzer, 1871. © bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte / Dietmar Katz

Skeletton-Schrift, Ed. C. Fetzer, 1871. © bpk – Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte / Dietmar Katz

Daran schließt sich mit »Die Schriften der Maler« eine eingehende Betrachtung des deutschen Letterings von Fritz Grögel an, der darlegt, dass man die Geschichte der Schrift im öffentlichen Raum gerade nicht anhand der Kataloge der Schriftgießereien verstehen kann. Vielmehr bieten lithographische Alben und eine nähere Betrachtung der Handschriftlichkeit interessante Einblicke, sowohl im Blick auf das Verhältnis von Antiqua und Fraktur als auch auf die enorme Popularität, derer sich serifenlose Schriften in Deutschland seit etwa 1850 erfreuen.

In: Die Schrift in Wort und Bild, Malerschule Zimmermann, 1934.

In: Die Schrift in Wort und Bild, Malerschule Zimmermann, 1934.

Im dritten Artikel »Schriftmalerei im Portrait« von Fritz Grögel geht es schließlich darum, Verena Gerlachs Buchstabenportraits zu hinterfragen, die Inschriften in ein Verhältnis zur Architektur und den Möglichkeiten der Schriftmalerei zu setzen und anhand von zahleichen Illustrationen zu erklären, mit welchen Kniffen die Schriftmaler einst gearbeitet haben.

Hier finden Sie Informationen zu Vorträgen über Karbid und hier eine kurze Leseprobe. Unter Karbid critique finden Sie Auszüge aus und Links zu Rezensionen.

Verena Gerlach: Karbid, Berlin – de la lettre peinte au caractère typographique. Dreisprachig deutsch, englisch und französisch. Mit einem Vorwort von Fred Smeijers und Artikeln von Fritz Grögel und Sébastien Morlighem. Paris: Ypsilon Éditeur, Oktober 2013.

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Dieser Beitrag erschien zuerst im November 2013 bei LetterinBerlin. Find the English version here.

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